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07.06.2020, 13:55 Uhr | Sany2018
Ich höre zu, ich höre immer aufmerksam zu, wenn jemand mit mir spricht, wenn Gespräche mit anderen Personen geführt werden, auch, wenn nicht gesprochen wird, höre ich zu, zumindest versuche es es, denn ich ich möchte mein Umfeld verstehen, ich möchte, dass nichts passiert, was diesen Menschen nicht gut tut und wenn, dann möchte ich da sein, deshalb braucht es jemanden, der zuhört, der gut zuhört und hinsieht.

Täglich passiert etwas.

Ich merke, wenn es meiner Familie, oder Teilen, nicht gut geht, das verunsichert mich, weil ich meist nicht an die Gründe komme, aber ich nehme es immer wahr. Manchmal passieren dann ungünstige Situationen, dann knallt es und die Wut entlädt sich, aber ich habe Verständnis, denn ich weiß, dass es dieser Person nicht gut ging. Wenn es mir nicht gut geht, dann nimmt das niemand wahr, dann versucht niemand hinzusehen oder gar Rücksicht zu nehmen, ganz im Gegenteil, dann wird mir meine vermeintlich schlechte Laune noch vorgeworfen oder ich werde runtergemacht, das tut weh und macht traurig, denn ich bin kein schlechter Mensch, wenn ich impulsiver werde, dann nicht, weil ich Lust drauf habe, sondern, weil mein Selbstschutz greift, die Mauer, die ich aufgebaut habe, um nicht bei jedem Sturm zusammenzubrechen.

Oft wird gestritten, wenn nicht ich mit jemandem, dann wer anders. Niemand streitet alleine, es gehören immer mindestens zwei Personen dazu, die immer verletzt aus der Situation gehen, denn es werden, oft im Affekt, Dinge genannt, die wehtun, die traurig machen, die so nicht gesagt werden sollten. Ich empfinde im Nachhinein immer schlimme Gefühle, ich habe Angst um meine Familie, um den Zusammenhalt, den es mal gab und bereue meinen Ausbruch, ich reflektiere, das habe ich so gelernt in der Beratungsstelle, ich sehe mich und meine Familie, meine und unsere Fehler und das macht einiges mit mir. Ich sehe hin, immer. Die anderen sehen nie hin, sehen immer nur sich selbst und das Unrecht, das ihnen angetan worden ist, das, was mir oder anderen an den Kopf geworfen wurde, das wird nicht gesehen, das ist nicht schön.

Ich nehme wahr, wenn es Menschen in meinem Umfeld schlecht geht, ich versuche ihnen etwas abzunehmen, sie in Ruhe zu lassen und dennoch im Auge zu behalten, ich versuche sie vorsichtig abzulenken, ihnen meine Hand zu reichen. Wenn es mir nicht gut geht, dann sieht niemand meine Signale, niemand hört zu, niemand sieht hin, oft wird alles stattdessen noch schlimmer gemacht und ich verletzt, die Mauer wird größer und größer und mit ihr die Abneigung, aber ich werde trotzdem immer hinsehen und immer zuhören, denn ich weiß, wie es ist, wenn man niemanden hat, der das kann.

Hinsehen und zuhören ist so wichtig.

Immer wieder liest man Schlagzeilen, man hört Berichte, man erfährt von Grausamkeiten und von abscheulichen Verbrechen und immer wieder denke ich mir, wieso hat niemand genauer hingeschaut, wenn es doch Hinweise gab und die gibt es immer, bewusst oder unbewusst, wieso hat niemand hinterfragt, wenn es Veränderungen gab, wieso hat sich niemand damit beschäftigt, wieso hat niemand gehandelt, niemand geschützt, wieso hat niemand zwischen den Zeilen gelesen, niemand zugehört, wieso hat niemand Aufmerksamkeit geschenkt, wieso hat niemand überprüft. Wieso gibt es nichts festgesetztes, präventives in Kindergärten, Schulen, wieso gibt es keine routinemäßigen Angebote und Gespräche mit Fachpersonal in solchen Institutionen, um früher aktiv werden zu können, um stoppen oder gar verhindern zu können, wieso muss immer erst was passieren.
Zuletzt editiert am: 07.06.2020, 13:59 Uhr, von: Sany2018
07.06.2020, 20:12 Uhr | Sany2018
Hallo Melli2,

ja, das stimmt. Allerdings ging es mir speziell um ein Angebot für diese Altersgruppe, weil ich schon mit diesen unspezifischen Beratungsstellen Kontakt hatte und gemerkt habe, dass es doch ein Riesen Unterschied ist, wenn es keine Spezialisierung gibt, denn man muss mit verschiedenen, an die Altersgruppe angepassten, Methoden arbeiten und das würde dort aufgrund meines Alters die der Erwachsenenarbeit sein und somit eher weniger eine Überbrückung. Aber ich nehme es so hin, ich wollte das nur einmal aussprechen, weil ich damit konfrontiert bin.

Ja, das stimmt. Leider ist meine Ansprechperson in der Beratungsstelle erkrankt und dann kam Corona. Letzte Woche sollte es dann den ersten Termin nach der Zwangspause geben, leider musste dieser ebenfalls seitens der Beratungsstelle abgesagt werden. Ich bin demnach kein Stück weiter gekommen, weil ich sie erstmal wiedersehen möchte, damit wir regeln können, wie es vor Ort für mich weitergeht und welche Schritte wir einleiten können in dieser Zeit.

Ich wünsche dir alles Liebe!
07.06.2020, 19:51 Uhr | Melli2
Liebe Sany,

ich wollte noch kurz hinzufügen, dass es auch einige Beratungssstellen ohne Altersbegrenzung gibt.
Die sind dann zwar nicht mehr spezifisch für junge Menschen, können aber auch eine mögliche Überbrückung darstellen.
Möchtest du denn gerne einen Therapieplatz suchen? Du hast mal geschrieben, dass du das mit deiner Beraterin besprechen wirst.
Seid ihr denn schon weitergekommen?

Liebe Grüße
Melli
07.06.2020, 18:21 Uhr | bke-Claudia
Hallo Sany,
wichtig ist, dass du jetzt noch soviel für dich klären und mitnehmen kannst, wie möglich ist.
Manche Beratungsstellen beraten auch einmalig oder kurzzeitig noch über 21.
bke-Claudia
07.06.2020, 17:56 Uhr | Sany2018
Für mich ist es dann, wenn die Politik irgendwann mal reagiert, leider zu spät, aber, ich hoffe für die nachkommenden Hilfesuchenden und für mich einfach, dass ich überlebe und irgendwie, irgendwann vielleicht sogar gut leben darf.
07.06.2020, 17:48 Uhr | bke-Claudia
Hallo Sany,
du sprichst da ein wichtiges Thema der Jugendhilfe an.
Als ich vor vielen Jahre anfing zu arbeiten, da gab es noch Hilfen bis 27 Jahre, das ging dann runter bis auf 21.
Seit einigen Jahren verfolge ich die die Diskussionen und finde es äußerst problematisch, dass für diese Altersgruppe keine angemessene Unterstützung da ist.
Ja, ich verstehe gut, was du da meinst. Da muss politisch mehr Aufmerksamkeit hin, in der Gesellschaf ist das Thema angekommen..
bke-Claudia
07.06.2020, 16:58 Uhr | Sany2018
Danke Claudia!

Ich werde alles daran setzten emphatisch zu bleiben! Ich versuche mich zu schützen, aber ich wünsche mir, dass auch andere dazu beitragen, dass ich geschützt bin und bleibe. Ich weiß vielleicht kindlich und untypisch.

Manchmal beziehungsweise oft habe ich das Gefühl, dass man, wenn man so alt ist, wie ich es bin, bald 21, automatisch alles alleine bewältigen können muss, auch was Hilfen und beispielsweise den Schutz der eigenen Person angeht. Ja, Kinder können das alleine nicht gewährleisten, als Erwachsener hingegen sollte man das können, wissen, was richtig und was falsch ist, sich wehren und sich Hilfen holen beziehungsweise dagegen vorgehen, wenn was nicht in Ordnung ist, aber passiert. So meint man zumindest.

Ich meine allerdings, dass man das nicht von heute auf morgen kann, dass man nicht, nur, weil man 18 oder 21 ist beziehungsweise wird plötzlich auch ein komplett selbstständiger Erwachsener sein kann, der alles eigeninitiativ bewerkstelligen und schaffen kann, das kann er nicht, zumindest nicht jeder und auch nicht auf Anhieb, insbesondere, wenn es um das Seelenleben geht.

Leider sieht die Gesellschaft das so vor, denn diese Zahlen werden in den Köpfen der Menschen mit diesen Eigenschaften und dem Können verbunden, man ist kein Kind, kein Jugendlicher, kein Heranwachsender mehr, man ist Erwachsen und hat sich somit auch gefälligst so zu benehmen, wie es dem Betroffenen damit geht ist egal und auch hier wird nicht zugehört und hingeschaut, wenn das in den jüngeren Altersklassen schon nicht klappt, dann klappt es in dieser erst recht nicht mehr.

Nie werde ich verstehen, warum man mit 18 und noch extremer mit 21 aus sämtlichen Angeboten verbannt wird und es keine Alternativen gibt, so auch hier, ohne es als Vorwurf zu meinen, hat die BKE “nur“ diesen Bereich bis 21 und den für Eltern, aber keinen für junge Erwachsene oder Erwachsene im allgemeinen. Wie oft habe ich hier schon Beiträge bezüglich Verabschiedungen gelesen, bald wird auch meiner hier erscheinen, und das obwohl man sich nicht freiwillig dazu entschieden hat zu gehen, sondern gehen muss, weil man diese Zahl erreicht hat, egal, ob man dann bereits ohne das Angebot und die Hilfe auskommen kann oder nicht, vorbei ist vorbei.

Genauso im realen Leben. Unzählige Hilfsangebote für Kinder, Jugendliche und zum Teil auch für junge Erwachsene, toll finde ich das und ich bin unsagbar dankbar für jedes einzelne, denn auch ich profitiere, in Form der Beratungsstelle, von diesem Angebot. Doch auch hier spielt die Zahl eine Rolle, denn diese Angebote enden mit dieser, auch, wenn meistens laufende Beratungen weitergeführt werden können, wird dann auf eine Beendigung gedrängt, weil man aus dem Konzept fällt und das aufgrund des Geburtsjahres nicht, weil es einen besser geht oder man bereit dazu ist.

Im Unterschied zu beispielsweise der BKE gibt es selbstverständlich auch offline Hilfen für Erwachsene, allerdings nicht so breitgefächerte, nicht so zahlreiche und vor allem selten unverbindliche, meistens fallen hier Kosten für Termine in Beratungsstellen an oder man wird sehr schnell an einen niedergelassen Therapeuten verwiesen, bei dem man dann monatelang auf der Warteliste steht, aber, man ist ja 21 und hält das aus, denn mit 21 ist man Erwachsen, kann für sich und seine Gesundheit selbst sorgen und benötigt weder Schutz noch Hilfe von anderen Erwachsenen. Das ist jetzt etwas übertrieben formuliert, aber es fühlt sich definitiv so an, wenn man dieses Alter erreicht hat beziehungsweise kurz davor steht und das ist fatal.

Ich finde, dass man auch mit bald 21 jemanden braucht, der zugehört, der hinschaut, natürlich in anderer Form als bei Kindern oder Jugendlichen, aber, wenn man Hilfe braucht oder Dinge erlebt, die kaum auszuhalten sind, dann braucht auch ein Erwachsener so jemanden, der das kann.

Ich habe Angst vor diesem Datum an dem auch ich aus vielen Angeboten rausfallen werde, an dem ich, gefühlt, gar nicht mehr gesehen werde, an dem mir nicht mehr zugehört oder auf mich geschaut werden muss, an dem niemand mehr auf den Gedanken kommt auf Signale zu achten, aufmerksam zu sein oder zwischen den Zeilen zu lesen, dann werde ich noch weniger geschützt sein, als ich es jetzt schon bin.

All das bedeutet nicht, dass ich zurückgeblieben oder kindlich bin, nein, ich kann natürlich alleine wohnen, mich selbstständig versorgen, mit Finanzen umgehen, Auto fahren, arbeiten gehen, studieren, Termine organisieren und abarbeiten, ich kann mein Leben strukturieren und bekomme es auf die Reihe, ich kann sehr wohl das Leben einer Erwachsenen führen, etwas, was ein Kind oder ein Jugendlicher nicht kann, das ist ein Aspekt, den man nur mit einem bestimmten Alter erfüllen kann und erfüllen muss, aber nur, weil ich das kann, heißt das nicht, dass ich auch erwachsen mit meiner Seele umgehen kann, dass ich plötzlich umdenken kann von Kinder- und Jugendlichentherapie auf Erwachsenentherapie in dem Beratungsstellenkontext, dass ich plötzlich aus meinem Beratungssetting gerissen werden kann und dass ich alles, was davor gegeben war nicht mehr brauche, nur, weil ich 21 werde.
07.06.2020, 15:04 Uhr | bke-Claudia
Hallo Sany,
ich finde deine Worte unsagbar wichtig. Ich habe sie gleich mehrmals gelesen.
Dir wünsche ich, dass du weiter so unsagbar empathisch bleibst, aber gut schaust, wie du dich auch schützen kannst .
Leider sehen und hören viele Menschen nicht hin, oder tun es zu spät.
Jeder kann zur Verbesserung ein Stückchen beitragen, dann kann viel Schlimmes verhindert werden.
bke-Claudia

Treffer: 8

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