Dieses Geschrei, ich halte es nicht mehr aus, es macht mich traurig, ängstlich und vor allem raubt es mir meine letzte Kraft.
Wieso schreit ihr euch an? Wieso schreit ihr mich an? Warum merkt ihr nicht, dass damit niemandem geholfen ist?

Ich weiß, dass ihr Dinge oftmals aus dem Affekt heraus sagt und mit Sicherheit nicht so meint, dennoch sind sie nicht rückgängig zu machen und tun mir weh, sie verletzen mich, lassen mich mitunter sogar noch intensiver an meinem Dasein zweifeln, vor allem jetzt, wo die Diagnostik begonnen hat, ich an Traumata arbeiten muss und viel aufzuarbeiten habe und ihr davon nicht einmal wisst, jetzt, wo vielleicht bald eine Krankheit mit Namen zu mir und meinem Leben gehören wird, ausgerechnet jetzt müsst ihr es wieder auf die Spitze treiben.

In solchen Momenten weiß ich, warum ich, seit beinahe einem Jahr, so viel Kraft darin investieren, um heimlich in die Beratungsstelle zu fahren und noch mehr, um mir nicht anmerken zu lassen, wie schlecht es mir mittlerweile geht. Ich möchte euch schützen, weil ich euch liebe und weiß, dass diese Information schwerwiegend ist, insbesondere, weil ich sie euch so lange verheimlicht habe und dennoch merke ich immer wieder, dass ihr damit nicht zurechtkommen würdet, ihr könntet es nicht akzeptieren, wüsstet nicht mit mir umzugehen, ich höre, wie ihr über andere Menschen sprecht, mit denen ich mich identifizieren könnte, denen es ähnlich geht, die ein ähnliches Päckchen zu tragen haben, die so sind, wie ich es bin. Ich mag nicht noch ein weiterer Streitgrund, noch ein weiteres Problem in eurem Leben werden, das bin ich, wie ihr es mir heute, im Affekt, an den Kopf geworfen habt, ja bereits jetzt schon, eines, das man am liebsten loswerden wollen würde, das hat weh getan, auch euch, ich habe es in euren Augen gesehen, dass ihr es nicht sagen wolltet, aber ihr habt es gesagt und das hat gesessen. Diesen Satz werde ich nicht vergessen und er hat mich in meiner Entscheidung, das alles irgendwie mit mir alleine ausmachen zu wollen, bestätigt und gestärkt.

Ich wünsche mir die Harmonie zurück, die einst bei uns herrschte, die Liebe, die wir einander gegeben haben und vor allen den Frieden und die Ruhe. Es erschrickt mich immer wieder, wenn ich uns als Familie betrachte, so, wie wir jetzt sind und wie wir einmal waren, das sind Welten, die dazwischen liegen und ich verstehe nicht, warum ihr nichts dafür tut, damit es wieder so wird, wie früher. Ich habe Angst, um uns als Familie, aber auch Angst, um mich, um Mama, um unsere Gesundheit, es setzt zu, wenn ihr euch streitet, nicht nur mir, es entzieht das letzte Fünkchen Hoffnung und nimmt einem die Stärke, die man aus der Familie, als Ressource, ziehen können sollte. Warum seid ihr so geworden?

Bitte hört auf zu streiten, zu schreien und unüberlegte Dinge zu sagen, die ihr hinterher nicht mehr zurücknehmen könnt, weil ihr sie ausgesprochen habt und sich das Gesagte beim Adressaten, ob gewollt oder nicht, festgesetzt und Spuren hinterlassen hat. Ich spüre eure Liebe, aber sie ist nicht mehr die gleiche, nicht mehr so bedingungslos, so rein und selbstverständlich, sie ist anders, als die, die ich einst von euch bekam. Ihr seid keine schlechten Eltern, ihr seid tolle Eltern, trotz allem mag ich euch nicht hergeben, nicht eintauschen, denn meine Liebe für euch ist immer noch dieselbe, bedingungslos, rein und selbstverständlich. Ich verzeihe euer Ausrasten, ich verzeihe euer Geschrei, aber, wenn ihr nichts an euch und der Situation ändert, dann werde ich daran zerbrechen und ihr, ihr werdet es nicht einmal merken, weil ihr so sehr mit euch beschäftigt seid, dass ihr nichts mitbekommt und dann, dann ist es zu spät.