Hallo,
hatte gestern hier einen Gruppenchat und eine richtige Aufbruchstimmung in mir gespürt. Habe mich dann nach Jobs erkundigt, weil ich überlege mein Studium abzubrechen, und mit einem Job Geld für meine Eigene Wohnung oder WG-Zimmer zu verdienen um endlich bei meinen Eltern auszuziehen.
Jobsuche war leider erfolglos und als wieder zu Hause war kam wieder dieses miese Gefühl in mir hoch. Die Zweifel, die Ängste, dass alles nicht richtig ist.
Das passiert auch in Bezug auf mein anderes Problem. Habe vor ein halbes Jahr entdeckt, dass ich auch auf Jungs stehe. Habe diesen einen kennen gelernt. Wenn ich Zeit mit ihm verbringe ist es in Ordnung. Sobald ich wieder zu Hause bin kommt es mir so falsch vor.

Ich bin das Kind meiner Eltern. Damit meine ich, dass ich nach ihren Werten Vorstellungen und Lebensentwürfe geprägt und erzogen worden bin. Sie gehören zu mir. Sind Bestandteil von mir und folge ihnen.
Ich habe gemerkt, dass es auch Teile von mir gibt, die denen zum Teil krass widersprechen und gegensätzlich sind. In der letzten zeit bin ich diesen nachgegangen und habe herausgefunden, dass diese auch Spaß machen und mir gut tun. Es sind aber nur kleine (An)teile. Bei diesen "Ausflügen" in ein anderes Leben merke ich dass es da was anderes gibt und dieses andere auch gut sein kann, aber wenn ich wieder nach Hause komme, sind da wieder meine eigentlich Werte, Prinzipien, Vorstellungen, Lebensentwürfe. Sie gehören auch zu mir, nein sie sind das Fundament auf dem alles fußt. Die besagten Ausflügen bringen Risse in das Fundament.
Ich kann einfach nicht gegen meine Natur handeln. Es fragt sich nur was meine Natur ist? Mein Fundament oder meine Ausflüge?
Die Antwort ist wohl beides. :table:
Ich kann mein Fundament nicht in Frage stellen!
Es mögen jetzt vielleicht viele sagen, dass ich einfach ich sein soll und die Werte und Vorstellungen meiner Eltern einfach über Bord werfen soll. Sorry, aber wer das sagt, hat mich nicht verstanden. Dies alles bin ich. Sowohl das Fundament, als auch die Ausflüge, die die Risse verursachen. Bricht das Fundament auseinander , breche ich auseinander. Das ist nicht nur so dahin gesagt - das ist so. Ich werde wirklich auseinander brechen ohne zu wissen was das heißt oder wirklich bedeutet. Habe aber eine scheiß Angst davor, weil das glaube ich wirklich nicht gut geht.
Ich frage mich, wie bringe ich die beiden gegensätzlichen Welten zusammen? Wie kann ich Teile meines bisherigen Fundamentes durch andere neue Teile ersetzen -ohne dass das Fundament instabil wird und auseinander bricht?

Oh man jetzt bin ich etwas abgeschweift.
Meine eigentliche Frage oder mein Wunsch ist,
dass ich mich zu Hause nicht mehr so mies fühlen möchte,
dass ich einfach mal ich sein und bleiben kann,
dass ich es schaffe wieder mit meinen Eltern zu reden,
dass sie mir mal wieder zu hören ich meinte richtig zu hören,
dass ich keine Angst mehr vor ihnen haben möchte,
dass ich ihnen sagen kann was ich denke und möchte,
dass ich mich aus Angst und Verzweiflung nicht immer gleich füge,
dass ich nicht wie versteinert vor ihnen stehe und kein Wort heraus bekomme.
Denn Ihnen zu widersprechen heißt einem großen Teil von mir zu widersprechen.
Tja das ist wohl ein innerer Konflikt vom feinsten. (Galgenhumor)
Oh man ich verliere mich wieder in Gedanken.

Wem das alles nicht zu wirr ist, mag mir gerne darauf antworten. Würde mich riesig darüber freuen, weil ich seit Monaten in der Sackgasse stecke. Mir wird immer mehr deutlicher und bewusster, aber es wird leider auch komplizierter und die Handlungsmöglichkeiten werden (gefühlt) weniger. Aber das bringen wohl Identitätskrisen auch mit sich.

Wenn das alles hier nicht ins Forum gehört, dann löscht es, dann mache ich mit der Einzelberatung damit weiter. Dachte nur dass es für mich hilfreich sein könnte. Fand nämlich die Gruppenchats bisher meistens hilfreich.

Danke an Euch, Gruß
BI, BIor, BNB, toBI oder wie ich mich sonst immer im Chat genannt habt (-:

PS: Ich bin hier auf die Seite gekommen, da ich nicht wusste ob ich bi bin oder nicht und hab deswegen meinen Nick dementsprechend gewählt bzw. ein Zitat adaptiert. So nach und nach wird mir deutlich, dass ich es hätte gar nicht adaptieren müssen. "To be or not to be" finde ich inzwischen viel passender - aber das nur am Rande!

Hey, deine Antwort ist ja jetzt schon was her, magst du vielleicht erzählen, was sich inzwischen getan hat? Nur wenn du magst, natürlich ... Aber mich würde es interessieren, wie es dir geht und ob es dir gut geht. Hoffe, es ist nicht alles komplett scheiße für dich.

Hi nora,

sorry das ich mich solange nicht gemeldet habe.

Es gibt glaube ich keinen Kompromiss. Es heißt entweder oder. Meine Eltern sind so verbohrt, das ist so unglaublich. Deswegen will ich mein eigenes Leben leben. Immerhin habe ich schon einen Minijob, aber der reicht natürlich nicht für ein finanziell unabhängiges Leben. Deshalb bin ich weiter auf der Suche.

Es werden bald die Ergebnisse von den Prüfungen kommen und dann werden meine Eltern wissen, dass ich das erste Semester verkackt habe. Ich bekomme jetzt schon Bauchschmerzen wenn ich daran denke, das es für ein Ärger geben wird. Deshalb wollte ich ja eigentlich vorher ausgezogen sein, aber das klappt alles nicht.

Ich weiß gar nicht wie das alles werden soll. Ich bekomme auch immer mehr Zweifel ob das alles so richtig war oder ob das alles nur Hirngespinste von mir waren. Iwie werde ich das Gefühl nicht los, dass ich auf einen Abgrund zu rase.
Stellt sich nur die Frage ob ich es schaffe vorher zu bremsen, abzubiegen oder in den Abgrund stürze.

Was würdest du denn sonst studieren wollen, wenn nicht BWL? Oder willst du überhaupt nicht studieren? Vielleicht kannst du eine Art Kompromiss finden zwischen dem was du jetzt machst und Studium schmeißen... Gibt es vielleicht ein anderes Studienfach, was deine Eltern auch "dulden" würden?

Hi Stephan und noratheexplora,

danke für Eure Antworten.

Ja, muss zugeben, dass ich auch nicht so viel erzählt habe, was das Problem ist, denn Zeit habe ich gefühlt nicht mehr so viel, zumindest was die Wohnung und das berufliche angeht.
Also ich bin 19 und habe und bin gerade im ersten Semester. Mir wurde immer klarer das ich das falsche studiere und mir gar nicht liegt (BWL). Aber das war die Vorgabe von meinen Eltern. Ich bekomme keine Bafög, weil meine Eltern zu viel verdienen. Sie finanzieren mir nur ein Studium, wenn ich das für sie richtige studieren. Der Kompromiss zwischen ihnen und mir war dann BWL. Aber die erste Prüfung habe ich verhauen und die anderen werden wohl auch nicht viel besser. Das wird riesigen Stress geben, wenn meine Eltern mitbekommen, dass ich das erste Semester nicht geschafft habe. Habe jetzt schon Panik davor.
In mir ist der Wunsch entstanden Studium zu schmeißen Geld zu verdienen um die eigene Wohnung zu finanzieren. Aber die Jobsuche gestaltet sich schwieriger als gedacht und Wohnungen und WG-Zimmer gibt es bei uns wirklich nicht so viele.
Mit meinen Eltern kann ich nicht reden. Es muss immer alles nach ihren Vorstellungen laufen. E gibt bestimmte Dinge die sich nicht gehören und die man nicht man und auch nicht in Frage stellt. Klar habe ich als Jugendlicher vieles in Frage gestellt, aber man nur gegen Wände läuft und den kürzeren zieht resigniert man schnell.
Klar sind meine Eltern unterhaltspflichtig, aber wenn dir dein Vater (der Rechtsanwalt ist) mit einem süffisanten lächeln sagt, dann verklag mich doch, wirst schon sehen was du dann davon hast, verlässt dich dann auch der Mut. Solange meine Eltern für alles aufkommen, bestimmen sie welchen Weg ich gehe. Das war schon immer so.
Dies sind natürlich alles Gründe dafür mein eigenes Leben zu führen und auszuziehen. Andererseits widerstrebt dies einem Teil von mir. Dem oben beschriebenen Fundament. Ich habe so viele Schuldgefühle in mir, wenn ich das so durchziehen würde. Die Familie und Tradition ist alles. Man stellt sich nicht gegen die Familie. Den Ruf und das Ansehen der Familie gilt es zu bewahren. Das habe ich quasi mit der Muttermilch eingeimpft bekommen. Genauso, dass ein Mann nicht mit einem anderen zusammen sein darf.
Es mögen viele von Euch denken, was ist sein Problem. Soll er doch sein eigenes Ding machen, aber das kann ich nicht. Ein Teil möchte das aber der andere Teil kann das nicht. Kann nicht gegen diese Werte und Normen handelt. Es wäre nicht nur ein Verrat an der Familie sondern auch ein Verrat an mir selbst. Also richtige Konflikte in mir drinnen.

Hey Tobi,

du erinnerst mich ein bisschen an mich, als ich meine eigene Sexualität entdeckt habe und erstmal sehr verwirrt war. Ich bin auch bi. In unserer Gesellschaft ist es leider immer noch so, dass erstmal von jedem ausgegangen wird, er sei hetero. Und wenn man dann merkt, dass man es nicht ist, ist die Verwirrung erstmal groß, das war bei mir auch so. Aber es dauert meistens etwas länger bis man genau weiß, was man ist bzw. wen man liebt und ich finde, du solltest dir da nicht soo großen Stress machen. Es braucht einfach Zeit. Das zu akzeptieren hat mir zumindest einen großen Stein vom Herzen genommen! Zu akzeptieren, dass ich im Moment vielleicht nicht genau Bescheid weiß und verwirrt bin, das aber okay ist. Dass das Wichtigste ist, das zu tun, was sich im Moment richtig anfühlt. Ob ich dabei hetero oder lesbisch oder bi bin ist ja eigentlich erstmal egal.

Zu der Situation mit deinen Eltern: Warum bist du nicht schon während dem Studium ausgezogen? Wolltest du nicht oder ging es nicht? Bist du Bafög-berechtigt? Meistens reicht das schon, um sich eine Wohnung leisten zu können, je nachdem wo du hinziehen willst. Und deine Eltern sind bis 25 auch unterhaltspflichtig.

Außerdem: Du bist nicht deine Eltern! Auch wenn sie dich erzogen haben und dir bestimmte Werte und Normen beigebracht haben, du hast immer noch deinen eigenen Kopf, du kannst für dich selbst denken und Entscheidungen treffen.

Hi BIorNOTtoBI,

wenn Du hier noch eine Weile weiter schreibst, wird sich sicher eine Dir passende Abkürzung finden, aber zum Glück gibt es ja bis dahin die Kopierfunktion .

Du beschreibst sehr anschaulich, dass Dich die 2 Welten drohen, auseinander zu reißen. Und ein einfaches "Mach doch was Dir gut tut" ist sicher ein guter Ratschlag, aber nicht so ganz einfach umzusetzen. Vielleicht wäre ja "Lass Dir Zeit, probiere Dich immer mal wieder aus, achte darauf, ohne eile, was zu Dir passt, wie Du die Werte aus beiden Welten vielleicht vereinbaren kannst."

Und was Deine Eltern angeht: Dass Du mit ihnen reden möchtest bedeutet auch: Ihr habt eine gute Basis, die vielleicht gerade etwas entstaubt werden muss, damit sie wieder glänzt und erweitert werden kann. Aber die Basis ist oder war mal da. Um mit ihnen zu reden könntest Du ein Date mit ihnen vereinbaren: "Dienstagabend, 20:00 Uhr möchte ich mit Euch reden. Mit etwas Zeit, ich bringe Chips und Salzstangen mit. Und euer Job ist: Zuhören. Erstmal nix sagen. Wenn ich fertig bin, sage ich Bescheid, dann könnt ihr reden." Wäre das eine Möglichkeit?

Viele Grüße von

bke-Stephan